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Schlepper-Konvoi durch Bergrheinfeld gegen Stromtrassen

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Landwirtschaftliche Ortsverbände Bergrheinfelds demonstrierten vor Infoveranstaltung von Netzbetreiber Tennet

Zur geplanten Stromtrasse SuedLink, die der Netzbetreiber Tennet vom schleswig-holsteinsichen Wilster bis nach Grafenrheinfeld bauen will, hat Armin Wahler einen klaren Standpunkt: „Die denken wohl: Wo schon Belastungen sind, kann man auch noch weitere hinzufügen.“ Der Vorsitzende des BBV-Ortverbands meint die ohnehin schon enorme Belastung der Region und vor allem der Gemarkung Bergrheinfeld – so unter anderem durch die Autobahnen (A70 und A71), die Bahnstrecke Bamberg-Rottendorf, die Kreis-Mülldeponie und durch das angrenzende Atomkraftwerk Grafenrheinfeld.

Mögliche weitere Belastungen drohen auch durch ein immer wieder in den Medien genanntes Flutpolder an den Ufern des Maines, wo beste Böden betroffen wären. Wer sich um Bergrheinfeld umsieht, erkennt die bereits durch das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld vorhandenen Stromtrassengeflechte, die sich nahezu durch alle Flurteile ziehen – besonders stark im südlichen Teil der Gemarkung, hier kommen drei 380-Kilovolt-Wechselstromtrassen vom Kernkraftwerk Grafenrheinfeld an das bestehende Umspannwerk Bergrheinfeld an. Die Bauweise der dortigen Masten dürfte den neuen geplanten Trassen ähnlich sein. Die Erweiterung der bestehenden Trassen ist bereits beschlossene Sache, da der Netzbetreiber Tennet auf Gemeindegebiet Bergrheinfeld ein neues Umspannwerk bauen wird. Hierzu wurden neue Flächen, die aus der Landwirtschaftlichen Nutzung stammen, aus der Erzeugung genommen. Es geht dabei um etwa 25 Hektar Flächen, wobei das neue Umspannwerk bereits zehn Hektar in Anspruch nehmen wird. Der Netzbetreiber Tennet teilte mit, dass die Neuanlage in dieser Dimension notwendig sei, um nach Abschaltung des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld die Blindleistungskompensation zu gewährleisten.

Bei einer Demonstration mit anschließender Protestkundgebung in Bergrheinfeld machten die Stromtrassen-Gegner, organisiert durch Bergrheinfelds Landwirte, ihrem Ärger Luft. Ort und Datum waren nicht zufällig gewählt: Am selben Tag veranstaltete Tennet im Pfarrheim einen seiner sogenannten „Informationsmärkte“, bei dem Bürger über die geplanten Projekte informiert und Anregungen gesammelt werden sollten.

Auf 39 hupenden Traktoren, die mit Plakaten gegen die Stromautobahnen ausgestattet waren, zogen die Mitglieder von Bauernverband, Flurbereinigungsgesellschaft, Jagdgenossenschaft und andere Bürger vom Bergrheinfelder Sportheim zum Veranstaltungsort am Pfarrheim. Entlang der Hauptstraße feuerten zahlreiche Bergrheinfelder die Demonstranten an. In unmittelbarer Nähe zur Tennet-Veranstaltung stellten die Trassengegner abermals ihre Forderungen. „Wir wollen, dass die Politik die Notwendigkeit der Stromautobahnen überprüft“, sprach Mitinitator Christian Göb ins Megafon. „Wir stellen diese Gleichstromtrassen, wie auch die geplanten Wechselstromtrassen generell in Frage.“ Die Demonstranten seien der Ansicht, dass die Energiewende vor Ort stattfinden müsse, so Göb. Wahler betonte: „Es kann nicht sein, dass solch ein Frevel an der Natur und am Menschen verübt wird, wenn wir die Trasse am Ende gar nicht brauchen.“ Die Trassen-Gegner vermuten eine erfolgreiche Lobbyarbeit hinter der aktuellen Bedarfsplanung. Es geht für die Trassen-Gegner nicht nur um SuedLink, der in der größten Endausbaustufe bis zu 10 Gigawatt Leistungsübertragung ermöglichen solle, wenn es nach den Netzbetreibern geht. – Es geht ihnen auch um die weiteren 380-Kilovolt-Trassen, die der Netzbetreiber Tennet bereits im Netzausbauplan gefordert und teilweise von der Bundesnetzagentur bestätigt bekommen hat. Dies ist zum einen das Vorhaben „P43“ von Mecklar nach Bergrheinfeld, zum anderen geht es um das Vorhaben „P44“ von Schalkau nach Grafenrheinfeld. Beide stellen jeweils zusätzliche Trassen dar. Sollten diese Vorhaben umgesetz werden, würde nicht nur die Bewirtschaftung der Landwirtschaftlichen Flächen „schwieriger“, es würde echte Lebensqualität verloren gehen, da am Horizont dann allgegenwärtig die neuen Trassen „grüßen“ würden.

Die Demonstranten standen und stehen weiterhin auf dem Standpunkt, dass eine ernsthafte Überprüfung möglicher Gesundheitsrisiken durch eine 500–Kilovolt-Höchstspannungsleitung bislang nicht stattgefunden hat. Weder die Netzbetreiber, noch die Bundesnetzagentur hätten Erkenntnisse zu dem Freileitungsvorhaben mit 500.000 Volt Gleichspannung, so die Trassen-Gegner. Bei den weiteren Ausbaustufen (Gleich- und Wechselstromtrassen) könne es nicht gesund sein, von allen Richtungen mit großen Stromtrassen frequentiert zu werden.Besonders fürchten die Trassen-Gegner den Einfluss der Gleichstromfelder, auf den Orientierungssinn und das Flugverhalten der Bienen, die durch die Gleichfelder abgelenkt und die Orientierung verlieren könnten.

Weiter führten die Demonstranten den aktuellen Zubau von Steinkohlekraftwerken mit einer Gesamtleistung von zirka 3,4 Gigawatt bis 2018 an. Die Aussage eines Tennet Mitarbeiters, „man sehe dem Strom seine Herkunft nicht an“, steht für die Trassen-Gegner als eindeutige Aussage dafür, dass nicht nur Windstrom über SuedLink geleitet werden soll. Die Aussage von Tennet „Südlink = Die Windstromleitung“ sehen die Trassen-Gegner als reine Marketing-Strategie an. Weiter beurteilen die Trassen-Gegner die direkte Anbindung der sogenannten „Nordlink“ Leitung – direkt am Beginn des Südlinks als äußerst fragwürdig. Diese Leitung wird in der Nordsee, von Skandinavien kommend, an den SuedLink angebunden, um weiteren Stromtransit zu gewährleisten.

Die Südlinkleitung(en) sollen laut Tennet im Umsetzungsfall zunächst 2 Gigawatt nach Grafenrheinfeld und 2 Gigawatt nach Großgartach in Baden-Württemberg transportieren. Weitere Szenarien bis 2024 zeigen, dass SuedLink von diesen möglicherweise 4 Gigawatt auf bis zu 10 Gigawatt über den weiteren Verlauf der A7 nach Süden aufgestockt werden könnte (hierdurch wären sowohl das südliche Unterfranken, Mittelfranken und auch Schwaben weiter betroffen).

Aus Sicht der Trassen-Gegner ist es schizophren, Strom über 800 Kilometer herzuleiten auf dem Weg durch Nord- und Mitteldeutschland, vorbei an Kohlekraftwerksmeilern, die im Ruhrgebiet liegen und den CO2-Ausstoß „hochhalten“  – und das alles, um möglicherweise weitere Exporte zu gewährleisten. Schon heute exportiert Deutschland über 30 Milliarden Kilowattstunden ins Europäische Ausland – dieser Wert steigt bisher jedes Jahr weiter, obwohl bereits sieben Kernkraftwerke seit 2011 nicht mehr am Netz sind.

Die zügige Umsetzung der Netzausbauprojekte fußt für die landwirtschaftlichen Vertreter auf falschen Erkenntnissen aus Lobbyarbeit und der vermeintlich unabdingbaren „hohen Geschwindigkeit“ in den Entscheidungsprozessen. Aus Sicht der Trassen-Gegner nutzt es nicht, dass die Industrie stets nach „sicherer Energie“ und dem angeblich „notwendigen Netzausbau“ ruft, da die technischen Möglichkeiten sowohl der Erneuerbaren Energien, der Speichertechnologieen und auch die regionalen Anstrengungen der Energieversorgung bei der Bundesnetzagentur keinerlei Beachtung findet.

Wie anders sollte nach Ansicht der Trassen-Gegner die Aussage von Jochen Homann, dem Präsidenten der Bundesnetzagentur, zu bewerten sein, der sagt, dass in Norddeutschland durch den Zubau an Erneuerbaren Energien enorme Mengen an Leistung – nämlich 9000 Megawatt – erzeugt würden, die dort nicht benötigt würden. Dies heißt dann für Homann: der Strom müsse einfach durch neue Leitungen weg transportiert werden – Punkt. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der von der Bundesnetzagentur auf dem Infomarkt in Bergrheinfeld bestätigt wurde, ist die Tatsache, dass man sich bisher nicht ausreichend um Erkenntnisse bemüht, die den Transport der Energiemengen in umgewandeltem Wasserstoff (durch die Power-to-Gas-Methode) im deutschen Gasnetz ermöglichen könnten. Die Bundesnetzagentur habe zwar auch das deutsche Gasnetz in der Verantwortung, jedoch sei dies „eine andere Abteilung“, hieß es auf dem Infomarkt. Die Trassen-Gegner haben hier den Eindruck, dass man hier nicht miteinander spricht. Die Umwandlung überschüssiger Strommengen durch Elektrolyse (Power to Gas) zu Gas ist bereits heute möglich (Beispiel: Audi in Werlte). Sicherlich ist dieses Verfahren nicht gänzlich verlustfrei (Wirkungsgradverluste), jedoch ist die Übertragung von Strom über lange Stromleitungen auch mit erheblichen Verlusten verbunden (bei SuedLink- 4-Gigawatt- Übertragungsleistung = 480 Megawatt Verlust bei Freileitungsbau = zwei Offshore-Parks).

Die stellvertretende Landrätin Christine Bender ergriff bei der Kundgebung vor dem Pfarrheim das Wort. Die CSU-Politikerin sagte, man benötige erst ein Energie-Gesamtkonzept. Sie erinnerte daran, dass momentan der Bayerische Energiedialog läuft, bei dem Wirtschaft, Kommunen, Verbänden und Wissenschaft tragbare Lösungen für die künftige Energieversorgung des Freistaats erarbeiten sollen. Dass Tennet gerade jetzt seinen „Infomarkt“ veranstalte, nannte Bender „nicht ganz glücklich.“

Drinnen im Pfarrheim versuchte Tennet die Bürger mit jeder Menge Schautafeln zu überzeugen. Von 15 bis 20 Uhr waren Mitarbeiter des Netzbetreibers und einige wenige Mitarbeiter der Bundesnetzagentur vor Ort.

Beim Umspannwerk, das südwestlich des bestehenden Werkes entstehen soll, sind alle Genehmigungen erteilt, es laufen bereits die Bodenarbeiten. Das Umspannwerk sei nötig, um nach der Abschaltung des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld die Netzstabilität aufrechtzuerhalten, so Tennet.

Seitens der Landwirtschaftlichen Verbände Bergrheinfelds wurden die benannten Forderungen an die Adresse der politischen Vertreter gerichtet, die allerdings nicht alle reagiert haben.

BBV-Ortverband Bergrheinfeld
Jagdgenossenschaft Bergrheinfeld
Flurbereinigungsgenossenschaft Bergrheinfeld

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